Eine Grat-Wanderung mit traumhaften Ausblicken über vier Gipfel der Nagelfluhkette
Ein Geheimtipp ist die Tour vom Hochgrat bis zum Eineguntkopf nicht, aber wirklich toll: ein bisschen knackig und mit jeder Menge toller Aussichten über die Allgäuer Bergwelt, das Voralpenland und sogar bis zum Säntis in der Schweiz.
„Schwindelfreiheit und Trittsicherheit sind Voraussetzung!“ Ok, ok, das schreiben die bestimmt für die „Städter“, die in leichten Sneakers oder Sandalen in den Bergen herumlatschen und nicht wissen, was sie tun… dachte ich und setzte die Premiumwanderung „Luftiger Grat“ bei Oberstaufen im Allgäu auf die Wunschliste für unseren Roadtrip auf der Deutschen Alpenstraße Ende Mai. Wohl wissend, dass ich Höhenangst habe, auf keinen Turm steigen kann und letztes Jahr auf sechs Metern Höhe im Kletterwald (gesichert und angeseilt!) schweißgebadet und quietschend mit meinem Leben abgeschlossen hatte…
Egal, wer Ausblicke haben will, muss hoch hinaus und mein Jahresmotto für 2023 lautet schließlich „Mutig sein.“ Eins noch zu unserem Roadtrip: Wir sind vom 18. Mai bis 2. Juni auf der Deutschen Alpenstraße unterwegs gewesen – mit dem „Blauen Klaus“, unserem Fiat 500, Baujahr 1968. Vom Bodensee bis zum Königssee mit viel Zeit zum Bummeln, Genießen und eben Wandern.
Die Runde auf dem „Luftigen Grat“ haben wir an Tag drei unserer Tour gemacht. Oberstaufen, Ausgang und Ziel der Wanderung, lag entlang unserer Strecke zwischen den Etappen Sigmarszell am Bodensee und Immenstadt.
„Luftiger Grat“: Ihr habt die Wahl – mit oder ohne Gondel
Man hat zwei Möglichkeiten, die Premiumwanderung „Luftiger Grat“ zu absolvieren: Variante A ist komplett zu Fuß vom Parkplatz der Hochgratbahn und zurück, Variante zwei bietet etwas Unterstützung, indem man mit der Hochgratbahn auffährt und dann über die vier Gipfel zum Parkplatz im Tal zurückläuft. Weil wir Kräfte sparen wollten, haben wir uns für Variante zwei entschieden. Also rein in die kleine Gondel und auffi.
Unser Plan: Auch den Gipfel vom Hochgrat mitnehmen, auch wenn der nicht auf der Wanderung liegt. Direkt am Ausstieg der Bergstation (1.708m) steht der Wegweiser „Hochgrat“. Eine halbe Stunde Wegzeit ist angegeben. Ok, los geht’s. Herr krimiundkeks stiefelt munter los, es geht zuerst über Steine, teils mit Holz als große Stufen angelegt. Rechts und vor allem links – da geht’s abwärts! – ist der schmale Weg mit Seilen gesichert. Ja, ich gebe es zu: Mir zittern stellenweise sehr die Knie und der Puls geht ordentlich nach oben.
Hirn meldet: Hilfe, Höhe und Gefahr! Sofort umdrehen! Aber ich überwinde mich und stehe um kurz vor 11 Uhr, also keine halbe Stunde nach dem Start, stolz wie Bolle am Gipfelkreuz auf 1.833m. Ok, für „echte“ Bergsteiger und erfahrene Wanderer vermutlich nur ein Hügelchen und völlig harmlos – für mich teils schon eine Überwindung, da links vom Weg, der auf dem Grat verläuft, nichts außer Tiefe ist.
Wir genießen die grandiose Aussicht ins Voralpenland. Den Rückweg zur Bergstation und zum Start der eigentlichen Wanderung „Luftiger Grat“ nehmen wir unterhalb des Grats auf nicht so steilen Wegen. Hier oben liegt Ende Mai sogar noch Schnee und bis vor Kurzem war es richtig ungemütlich.
Auf diesem Weg stehen einige Tafeln, die zum Nagelfluh – dem eiszeitlichen Gestein, aus dem die Bergkette gebildet wurde – informieren. Zurück an der Bergstation der Hochgratbahn steigen wir in den Wanderweg „Luftiger Grat“ ein. Nach ein paar Metern läuft man durch die „Porta Alpinae“, ein mit bunten Wimpeln geschmücktes Holztor, das Teil einer internationalen Kunstinstallation ist.
Entlang des Grats folgen wir dem schmalen Weg und sehen schon den nächsten Gipfel: den Seelekopf. Bis zum Gipfelkreuz führt uns der Weg über ein paar alpine Abschnitte: Leitern, Holzstufen und Tritte erfordern unsere volle Aufmerksamkeit.
Bei „Gegenverkehr“ wird es eng, einer muss immer ausweichen und den anderen passieren lassen. Nach einiger Kraxelei sind wir oben und legen am Gipfelkreuz auf dem Seelekopf auf 1.663 Metern eine kurze Pause ein.
Von dort oben und auch zwischendurch genießen wir die herrlichen Aussichten. Das Wetter spielt zum Glück mit und wir haben weite Sicht.
Weiter geht’s. Schließlich liegt noch ein gutes Stück Weg vor uns. Nach dem Seelekopf geht es zunächst bergab. Hier können wir auch das Gestein der Region, den Nagelfluh, aus der Nähe betrachten. In Kurzform und ohne Gewähr: Nagelfluh besteht aus Geröll, das zwischen den Eiszeiten zu Konglomeraten „verbacken“ wurde und ist im Oberallgäu teils mit Sedimenten und ausgespültem Kalk vermischt. Das Ergebnis: Es sieht aus wie gemauert und wird auch „Herrgottsbeton“ genannt.
Über viel Wurzelwerk und mit einem irren Weitblick über das Voralpenland schlängelt sich der Wanderweg „Luftiger Grat“ zum nächsten Gipfel, dem Hohenfluhalpkopf auf 1.636 Metern. Statt eines Gipfelkreuzes finden wir eine kleine Tafel an einem Baum. Kurz durchatmen und weiter.
Einen Gipfel haben wir noch auf unserer Route und ich gebe zu: Dieser Abschnitt ist für mich der herausfordendste der gesamten Strecke. Zuerst geht es an einer schwinderregend schmalen und hohen Stelle vorbei, die mir Schwitzehände bereitet. Zwischen zwei Steinen direkt auf dem Grat geht es gefühlt hunderte von Metern abwärts – lediglich ein kleines Geländer sichert die Stelle.
Es folgen mehrere ausgesetzte Stellen, die mit Tritteisen im Fels und Stahlseilen gesichert sind. Dazu geht es ordentlich bergauf. Mir fordert diese Kombination alles ab und die Beine werden langsam, aber sicher echt schwer.
Spaß macht es trotzdem und ich gehe langsam, aber stetig weiter. Nach einem letzten, echt knackigen Aufstieg sind wir auf dem Eineguntkopf (1.638 Meter) angekommen. Wieder finden wir kein Gipfelkreuz und diesmal auch keine Tafel. Wir setzen uns ins warme Gras, gönnen und ein Knoppers und Wasser und treffen ein nettes Paar mit Hund.
Dann führt der Steig aus dem Wald heraus, wird viel flacher und bringt uns über Almwiesen weg vom Grat. Was wir sehen: die Falkenhütte. Was wir herbeisehnen: alkoholfreies Weißbier und etwas Leckeres zum Essen. Beides bekommen wir und der Kaiserschmarrn kommt wie gerufen.
Nach den Pause erwartet uns ein breiter Pfad, der teils über Stufen und Steine bergab führt. Es wird merklich flacher. Wir laufen über Wiesen und an einigen uralten Bäumen bis zur Alpe Oberstieg.
Hier verlassen wir den eigentlichen Wanderweg „Luftiger Grat“ und zweigen in Richtung Talstation Hochgratbahn ab. Eigentlich führt der „Luftige Grat“ weiter über die Remmelalpe bis zum Ende an der Bergstation der Imbergbahn. Da aber unser Auto an der Hochgratbahn steht, wählen wir den alternativen Weg.
Von den Wiesen aus hat man eine tolle Sicht über die vier Gipfel, auf denen wir heute schon waren. Das Wetter spielt weiter mit, und obwohl dicke Wolken aufziehen, bleibt es trocken und warm. Über einen zunächst steinigen Weg, der teils nochmal durch Wald verläuft, erreichen wir einen geteerten Fahrweg. Diesem folgen wir, müssen noch eine steile Steigung abwärts meistern und legen spontan noch einen Getränke-Stopp an der Unterstiegalpe ein. Die beiden Liegestühle sehen auch einfach zu verlockend aus und die Wirtin ist so herzlich und witzig, dass wir gar nicht mehr aufstehen wollen.
Schließlich raffen wir uns doch auf und machen uns auf die letzten knapp zwei Kilometer bis zum Parkplatz.
Unser Fazit zum Wanderweg „Luftiger Grat“: Tolle Tour, die man unbedingt machen sollte, wenn man in der Nähe von Oberstaufen ist. Herrliche Aussichten, ein paar Anstrengungen und eine spannende Wegführung. Und Einkehrmöglichkeiten gibt es auch genug. 🙂
Infos & Preise:
- Länge der Wanderung: ca. 12 Kilometer, wenn man zum Start noch auf den Hochgratgipfel läuft
- Zieht unbedingt feste Wanderschuhe, am besten solche, die über den Knöchel gehen, an!
- Stöcke schaden nicht, es geht teils über steile, schmale Stiege, Steine und viel Wurzelwerk.
- Was zum Trinken nicht vergessen!
- auf dem Weg sind teilweise Leitern, Eisen und Tritte angebracht: Ihr solltet auf alle Fälle trittsicher sein und auch mal die Hände benutzen können; für Hunde eher nicht geeignet (außer sie sind so klein, dass man sie problemlos eine Leiter heruntertragen kann)
- Parken: an der Hochgratbahn-Talstation; Tagesticket: 5 Euro (wer die Seilbahn nutzt, kann das Ticket abstempeln lassen und zahlt nur 3 Euro)
- Einkehren: direkt an der Bergstation im Bergrestaurant Hochgrat; wir sind in der Falkenhütte auf dem Abstieg eingekehrt (Montag Ruhetag) und haben noch einen Getränkestopp auf der Unterstiegalpe eingelegt (Mittwoch Ruhetag).