Drei brutale Morde aus der Vergangenheit werden plötzlich wieder aktuell
Rückblick: Im Jahr 1985 wütet ein tagelang dauerndes Gewitter über der Südtiroler Bletterbach-Schlucht. Zwei junge Männer und eine junge Frau aus Siebenhoch, einem kleinen Dorf in der Nähe der Schlucht, sind zuvor zu einer Exkursion aufgebrochen – doch sie kehren nicht lebendig zurück, ihre Leichen werden in der Schlucht gefunden. Brutal zugerichtet, zerstückelt, ermordet. Der Mörder der Drei wurde nie gefunden, die Morde sind in Siebenhoch seitdem ein Tabuthema. Doch das ändert sich 30 Jahre später, als Jeremiah Salinger, amerikanischer Drehbuchschreiber und Ehemann von Annelise aus Siebenhoch, in den Ort kommt und viel zu viele Fragen stellt…
Salinger, wie er von allen nur genannt wird, folgt seiner in Siebenhoch aufgewachsenen Ehefrau zurück in ihre Heimat. Eigentlich wollte er eine Auszeit von seinem Job nehmen, doch dann überkommt ihn eine Idee. Salinger will mit seinem Kameramann Mike die Doku-Serie „Mountain Angels“ über die Südtiroler Bergrettung drehen. Sein Schwiegervater Werner, einer der Gründer der Bergrettung, ist seine wichtigste Infoquelle. Alles läuft nach Plan, doch dann passiert ein Unglück, als Salinger mit der Kamera einen Einsatz begleitet. Beim Versuch, eine Touristin aus einer Gletscherspalte am Ortler zu retten, kommen alle bis auf Salinger ums Leben. Trotz Psychotherapie und Medikamenten schafft es Salinger nicht, das Trauma zu überwinden.
Aufwühlende Reise in die Vergangenheit
Ablenkung findet er durch seine fünfjährige Tochter Clara. Mit dem aufgeweckten kleinen Mädchen unternimmt Salinger auch einen Ausflug ins Info- Zentrum und Museum in der Bletterbach-Schlucht. Dort schnappt er nur einen Wortfetzen auf: „Bletterbach-Massaker“. Die Recherchen zu dem Massaker, hinter dem sich die drei Morde während des Unwetters verbergen, betrachtet Salinger als seine Art der Therapie. Obwohl in immer mehr Menschen in Siebenhoch davor warnen, allzu viele Fragen zu stellen, lässt ihn das Thema nicht mehr los und er gerät tiefer und tiefer in den Strudel der Vergangenheit.
Nicht nur die drei jungen Menschen haben ihr Leben in der Bletterbach-Schlucht verloren, auch Angehörige sind an den Folgen des Massakers zu Grunde gegangen und auch Salinger verfolgt fast im Wahn das Ziel, den Mörder zu finden und endlich zu erfahren, was 1985 dort unten vor sich gegangen ist.
Menschliche Abgründe in Kombination mit der gewaltigen Kulisse der Südtiroler Bergwelt und dazu noch „Abstecher“ in die Naturwissenschaften – Luca D’Andrea serviert schwere Kost und vielfältige Aspekte. Die Einteilung der Handlung in viele, meist kurze Kapitel und viel wörtliche Rede machen die Lesefreundlichkeit des Thrillers aus. Besonders faszinierend fand ich, dass ich schon mehrfach in Welschnofen, das in der Nähe des fiktiven Ortes Siebenhoch liegt, zum Skifahren und Wandern war und mir die Bergkulisse und die kleinen Orte sehr gut bildlich vorstellen konnte. Wie es der Zufall will, habe ich „Der Tod so kalt“ im Skiurlaub 2017 begonnen und auf der Heimfahrt vergangene Woche zu Ende gelesen – ich war so gefesselt von der Handlung, dass ich von der gesamten Busfahrt nach Hause nicht viel mitbekommen habe…
Ganz ehrlich: Ich habe selten ein so atmosphärisch dicht geschriebenes Buch gelesen, das mich vollkommen in seinen Bann gezogen hat. Einmal begonnen, konnte ich mich nur ganz, ganz schwer wieder von den Seiten losreißen. Kaum zu glauben, dass „Der Tod so kalt“ der erste Roman von Luca D’Andrea ist, denn er ist einfach brillant geschrieben und steht zu Recht ganz oben in den Bestsellerlisten.
Luca D’Andrea wurde 1979 in Bozen geboren und lebt dort noch heute. Wie Salinger im Buch hat auch D’Andrea als Filmemacher gearbeitet und wurde für seine TV-Produktion „Mountain Heroes“ über die Arbeit der Bergrettung bekannt. „Der Tod so kalt“ wurde bereits in 35 Sprachen übersetzt.
Noch ein „Goodie“, das allerdings nichts mit der inhaltlichen Qualität des Buches zu tun hat: Die Gestaltung des Covers ist sehr ansprechend. Die aufgedruckten Berge und das Kreuz sind als raues Relief aufgedruckt, was das Schroffe der Felsen auch haptisch perfekt zum Ausdruck bringt. Jeder, der das Buch in die Hand genommen hat, war direkt begeistert von der Covergestaltung.
Mein Fazit: Unbedingt lesen! Aber bitte nicht beschweren, wenn der Thriller schlaflose Nächte beschert…
Luca D’Andrea: „Der Tod so kalt“, aus dem Italienischen von Verena v. Koskull, Deutsche Verlags-Anstalt, Paperback, 480 Seiten, 13,5 x 21,5 cm, ISBN: 978-3-421-04759, 14,99 Euro
[…] Südtirol zu bringen. Mit seinem neuen Thriller “Das Böse es bleibt” hat er es nach “Der Tod so kalt” ein zweites Mal erreicht, mich vom Schlafen abzuhalten und bis ins Innerste zu erschüttern. Winter […]