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Gelungenes Debüt: „Wen die Specht holt“

In Yvette Ecksteins Krimi steht eine Pfälzer Tradition im Mittelpunkt

Frohes Fest? Nicht unbedingt, wenn vor der Kirche plötzlich eine grausam zugerichtete Leihe baumelt… Der erste Fall für Kommissar Johann „Kranzi“ Kranzfelder hat es in sich.

Stellt Euch vor, es ist Heiligabend, zu Hause warten ein leckeres Essen und der geschmückte Weihnachtsbaum. Ihr sitzt im Gottesdienst eines kleines Dorfes in der Oberpfalz, schaut das Krippenspiel an und freut Euch auf die Feiertage, die vor Euch liegen. Gemütlich. Festlich. Besinnlich.

Aber nur so lange, bis die Messnerin – bei uns würde man „Küsterin“ sagen – in die Kirche stürmt und panisch schreit, weil sie gerade den Bürgermeister entdeckt hat. Genauer gesagt: die Leiche des Bürgermeisters. Mit aufgeschnittenem, mit Stroh ausgestopftem Bauch im Baum vor der Kirche hägend. Na bravo, frohe Weihnachten.

Mit genau dieser Szene beginnt „Wen die Specht holt“, das Krimi-Debüt von Yvette Eckstein. Für Kommissar Johann Kranzfelder ist das Fest in dieser Sekunde gelaufen. Gemeinsam mit seiner jungen Kollegin Klara Stern tauscht er Weihnachtsfeierlichkeiten gegen Ermittlungsarbeit. Für die alte Dame, die den Toten gefunden hat, steht alelrdings schon fest, wer ihn umgebracht hat. Das kann nur die Specht gewesen sein.

Um diesen uralten Brauch geht es in Yvette Ecksteins Krimi. „Die Specht“ ist eine für mich recht gruselige Figur. Immer am Heiligen Abend mussten Kinder sie früher mit Essensresten und Obst füttern. Taten sie das nicht, verfolgte sie angeblich die Specht, schnitt ihnen den Bauch mit einer Sichel auf und stopfte ihn mit Stroh aus. In „Wen die Specht holt“ findet am 24. Dezember mittags auf dem Marktplatz das „Specht gehen“ statt. Die Kinder füttern die gruselig verkleideten Spechten – in den Kostümen stecken einige Männer aus dem Ort – bekommen dafür Süßigkeiten und dann ist der Spuk auch schon wieder vorbei. So viel zum Hintergrund.

Hat Bürgermeister Karl Winkler wirklich die Specht geholt? Auch, wenn sich die Ermittler sicher sind, dass das ganz gewiss nicht passiert ist, ist Johann „Kranzi“ Kranzfelder doch etwas mulmig zumute. Schließlich kennt er den gruseligen Brauch noch bestens aus seiner eigenen Kindheit und gruselt sich noch heute.

Ich darf Euch verraten: Die Specht war’s nicht. Was der Bürgermeister durchleiden musste ist allerdings nicht weniger grausam. Hat das geplante Yoga-Zentrum etwas mit Karl Winklers Tod zu tun? An dem Neubau stören sich einige im Ort… Und die scheinbar gar nicht so tieftraurige Witwe des ermodeten Bürgermeisters kommt Kranzi und seiner Kollegin auch etwas seltsam vor. Was sie während der Ermittlungen noch alles aufdecken, damit hätten sie vermutlich nicht gerechnet – beruflich wie privat…

„Wen die Specht holt“ macht richtg Laune. Schon der Einstieg hat mich direkt in die Handlung hineingezogen. Das ungleiche Ermittlerduo gefällt mir extrem gut: auf der einen Seite der erfahrene Kommissar, etwas brummig und verschroben, auf der anderen Seite die junge, engagierte Kollegin, die nicht nur immer top gestylt, sondern auch bester Laune ist. Die kleinen Neckereien zwischen beiden haben mich mehr als einmal schmunzeln lassen.

Lokalkolorit kommt natürlich auch nicht zu kurz. Ich hatte mir noch nie Gedanken über Pfälzer Mundart gemacht. In „Wen die Specht holt“ stolpert man regelmäßig über Sätze im Dialekt, die nicht immer auf den ersten Blick verständlich sind – super für Sprachfans.

Yvette Eckstein hat sich mit dem Schreiben des Buches einen Traum erfüllt und nimmt ihre Leser übrigens auch auf ihrem Instagram-Account bei ihrer Arbeit als Autorin mit. Ich mag ihre Beiträge sehr und habe mit ihr mitgefiebert, bis das Buch endlich auf dem Markt war. Ein wirklich tolles Debüt, das vielleicht auch ein Weihnachtsgeschenk für Regionalkrimi-Fans ist. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass es Kranzi und Klara noch öfter ermitteln werden und freue mich auf den nächsten Fall…

Yvette Eckstein: „Wen die Specht holt“, Emons Verlag, 208 Seiten, ISBN 978-3-7408-1480-9,
13 Euro (Taschenbuch), 9,99 Euro (eBook) 

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