„Lügenmeer“ bietet seelische Abgründe und Spannung bis zum Schluss
Stellt Euch vor, Ihr lest einen Krimi, der hochspannend ist, in dem aber weder ein einziger Ermittler noch eine Vernehmung noch die Jagd nach einem Mörder vorkommt – geht nicht? Geht doch: Susanne Kliem hat das mit ihrem neuesten Buch „Lügenmeer“ bewiesen. Manchmal muss man sich einfach mit einem Buch in den Liegestuhl lümmeln, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen und sich Seite für Seite in die spannende Handlung einlesen. Und schwups, schon ist das Wochenende vorbei und das Buch ausgelesen. So ging es mir am vergangenen Wochenende nach tagelanger Hitzeschlacht im Büro. Einfach mal nix tun und ein Buch in einem Rutsch durchlesen – was für ein Luxus… Ich kann Euch schon jetzt verraten: Wenn Ihr noch auf der Suche nach unterhaltsam-spannender Urlaubslektüre seid, packt „Lügenmeer“ in Euren Koffer.
Kommen wir zur Handlung. „Lügenmeer“ spielt in einem Ort an der Kieler Förde, norddeutsche Idylle pur, das Meer vor der Haustür und so gar kein Ort für ein Verbrechen. Svenja Voigt fällt aus allen Wolken, als sie erfährt, dass ihr Jugendfreund Magnus in die alte Heimat zurückgekehrt ist. Mit ihm verbindet sie schreckliche Erinnerungen: Er – wie die restliche Clique von damals auch – war in jener Nacht vor 18 Jahren dabei, als Svenjas beste Freundin Milla bei einer heimlichen Party im Hallenbad ums Leben kam. Die genauen Umstände ihres Todes sind bis heute nicht eindeutig geklärt, auch wenn Magnus als der Schuldige galt und kurz nach dem Ereignis den Ort verlassen hat.
Jetzt ist genau dieser Mann wieder da und nicht nur Svenjas Welt gerät ins Wanken. Magnus setzt alles daran, um seine Unschuld zu beweisen und versucht, mit seinen alten Freunden ins Gespräch zu kommen. Buchhändlerin Anik lässt sich auf Magnus ein, während Svenjas Mann Enno sofort den alten Feind wieder vor Augen hat und auch Aniks Tante Mechthild macht dicht. Während Svenja zunächst froh ist, dass Magnus wieder da ist, wird ihr Verhalten im Verlauf der Handlung immer seltsamer und verwirrender…
„Lügenmeer“ spielt geschickt mit Vergangenheit und Gegenwart. Jedes Kapitel ist aus der Perspektive einer anderen Person erzählt und auch die Zeit wechselt zwischen heute und den Tagen vor 18 Jahren bis zu Millas Tod. Erst nach einer Weile habe ich erstaunt festgestellt, dass die Protagonisten den Tod des jungen Mädchens selbst aufarbeiten und nicht ein einziger Ermittler auf den mehr als 300 Seiten auftaucht. Faszinierend, das ist wirklich eine überraschende Art des Erzählens.
Statt Verhören liefert Susanne Kliem spannende Einsichten in das Seelenleben der beteiligten Personen. Dabei tut sich das ein oder andere Lügenmeer auf, so viel darf schon verraten werden. Wer letztlich Schuld an Millas Tod war, müsst Ihr allerdings selbst nachlesen. Das Buch bleibt spannend bis zum Schluss und hat nicht nur eine Überraschung im Gepäck.
Susanne Kliem sagt selbst über ihre Bücher: „Mir geht es nicht um die Darstellung brutaler Gewaltszenen, sondern um die Eskalation in menschlichen Beziehungen – und natürlich um einen spannenden, raffinierten Plot, der den Leser alles um sich herum vergessen lässt.“ Damit hat sie den Nagel auf den Kopf getroffen: Ich war so vertieft in die Handlung, dass ich gar nichts mehr wahrgenommen habe und komplett in die Handlung eingetaucht bin.
„Lügenmeer“ hat mir persönlich großen Spaß gemacht: Die Handlung ist spannend, nimmt einen komplett mit, die Charaktere sind griffig und sehr menschlich und das Ende überraschend. Fazit: auf jeden Fall auf die Leseliste setzen!
Susanne Kliem: „Lügenmeer“, C. Bertelsmann Verlag, 320 Seiten, 15 Euro, ISBN: 978-3-570-10353-1